Aus:
Joachim Heinrich Campe
Die Entdeckung von Amerika. Erster Theil. Kolumbus. Hamburg: Bohn 1781.

 

VATER: [...] Kolumbus macht in dem Berichte, der er seinem Hofe abstattete, von der liebenswürdigen Gemüthsart dieser sanften Wilden eine rührende Beschreibung. "In der That", sagt er, "sind diese Leute so liebreich, so leutselig und so friedlich, daß ich Eure Hoheiten versichere, es könne in der ganzen Welt keine bessere Menschen geben. Sie lieben ihren Nächsten, wie sich selbst, ihr Umgang ist der leutseligste und angenehmste von der Welt, immer heiter, munter, und mit einem sanften Lächeln begleitet. Und ob es gleich wahr ist, daß sie nackt gehen, so lönnen Ew. Hoheiten doch überzeugt sein, daß sie viele sehr löbliche Gebräuche haben. Der König wird mit großem Gepränge bedient, und sein Betragen ist so anständig,daß man ihm mit Vergnügen zusieht, so wie man auch das bewundernswürdige Gedächtniß, das diese Leute haben, und ihr Begierde, jedes Ding kennen zu lernen, um die Ursachen und Wirkungen davon zu erforschen, mit Vergnügen bemerkt!"
MUTTER: Wie gefallen euch die Indier?
ALLE: O sehr! - Die guten Menschen!
MUTTER: Und das sind Wilde, Leute, die gar keinen Unterricht, gar keine Erziehung gehabt haben, die nicht einmahl den lieben Gott kennen.
VATER: Schande, ewige schande für uns, wenn wir an Güte des Herzens und an thätiger Menschenliebe von ihnen übertroffen werden sollten! Wie viel mehr Beweggründe zum Guten, wie viel mehr Hülfsmittel zur Rechtschaffenheit hat uns die göttliche Vorsehung verliehen, als diese armen ununterwiesenen Indier hatten! O Kinder! laßt uns ja aus allen Kräften bestreben, uns unserer großen Vorzüge werth zu machen! Wie würden wir die Schande ertragen, wenn wir einst, mit einem dieser gutherzigen Wilden zusammengestellt, an Edelmuth und Rechtschaffenheit uns von ihm sollten übertroffen sehen?

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