Aus: Waldemar Bonsels: Die Biene Maja und ihre Abenteuer, 15. Kapitel (Berlin 1912)

 

Aus den Bäumen fielen schwere Tropfen in die welken Blätter des Waldbodens. Es war so kalt, daß der Biene die Flügel zu erstarren drohten. Überall lagen feine Schleier in der Ebene, und vom Morgenrot war nichts zu sehen. Dabei war es so still in der Runde, als habe die Sonne die Erde vergessen und als hätten alle Wesen sich zu einem Todesschlaf niedergelegt. Da flog Maja so hoch empor in die Luft, wie sie konnte. Es galt für sie nur eines: Sie mußte, so rasch als ihre Kräfte und Sinne zuließen, den Stock der Ihren finden, ihr Volk, ihre bedrohte Heimat. Sie mußte die Ihren warnen, daß sie sich gegen den Überfall rüsten konnten, den die furchtbaren Räuber an diesem Morgen planten. Oh, das Volk der Bienen war stark und wohl befähigt, den Kampf mit den überlegenen Gegnern aufzunehmen, wenn sie sich wappnen konnten und zur Verteidigung vorbereiteten. Niemals aber, wenn sie überrumpelt und im Erwachen überfallen wurden. Wenn die Königin und die Soldaten noch schliefen, dann würde es ein furchtbares Morden geben und viele Gefangene, und der Erfolg der Hornissen war gewiß. Und nun, da die kleine Biene an die Kraft und Stärke der Ihren dachte, überkam sie ein hoher Zorn gegen die Feinde und zugleich ein beseligter Opferwille und ein beglückender Mut ihrer begeisterten Liebe.

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