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Wir leben innerhalb des sprachlichen Aktes. Aber wir sollten nicht so sicher annehmen, daß eine verbale Matrix die einzig mögliche Form wäre, in der Artikulationen und Haltung von Geist und Seele denkbar sind. Es gibt Bedingungen geistiger und sinnlicher Realität, die nicht auf Sprache, sondern auf anderen Mitteilungskräften beruhen, wie zum Beispiel das Ikon oder die musikalische Note. Und es gibt geistige Handlungen, die in tiefem Schweigen wurzeln. Von ihnen zu 'sprechen', ist schwierig, denn wie sollte gerade die Rede Gestalt und Leben des Schweigens mitteilen? Doch ich kann Beispiele anführen für das, was ich meine. In bestimmten östlichen Lehren der Metaphysik, wie dem Buddhismus und Taoismus, stellt man sich die Seele als ein Etwas vor, das sich über die groben Belastungen durch die Materie erhebt, dann durch Bereiche der Einsicht zieht, die in erhabene und präzise sprachliche Form verwandelt werden können, bis es in Richtung auf ein tiefer und tiefer werdendes Schweigen aufsteigt. Die höchste und reinste Stufe des kontemplativen Aktes wird dann erreicht, wenn man gelernt hat, die Sprache ganz hinter sich zu lassen. Das Unaussprechliche liegt jenseits der Wortgrenze. Nur indem die Mauern der Sprache durchbrochen werden, kann die visionäre Wahrnehmung in das Reich unmittelbaren und totalen Verstehens eintreten. Wo solches Verstehen erreicht ist, braucht die Wahrheit jene Verunreinigungen und Halbheiten nicht mehr zu erdulden, die Worte notwendigerweise nach sich ziehen. Die Wahrheitbraucht sich nicht mehr der naiven Logik und dem linearen Zeitbegriff anzupassen, die in der Syntax einbegriffen sind. Die tiefste, letzte Wahrheit schließt Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft gleichzeitig in sich ein. Es ist die temporale Struktur der Sprache, die sie künstlich getrennt hält. Und hier